02.12.25
In der professionellen Gebäudereinigung ist eine lückenlose Dokumentation der Reinigungsleistungen besonders in hygienekritischen Bereichen wie Spitälern, Laboren und Pharmaunternehmen essenziell. Doch viele Prozesse sind noch analog – und das birgt Risiken.
Die Anforderungen an Hygiene, Transparenz und Qualitätssicherung steigen in der Gebäudereinigung stetig, besonders in sensiblen Bereichen wie Spitälern, Pflegeeinrichtungen oder Laboren. Gleichzeitig arbeiten viele Betriebe weiterhin mit papierbasierten Prozessen, die fehleranfällig, ineffizient und nur begrenzt nachvollziehbar sind. Warum ein digitaler Reinigungsnachweis heute unverzichtbar ist, haben wir bereits in einem früheren Beitrag im hygieneforum.ch aufgezeigt und damit eine wichtige Diskussion über den Stand der Digitalisierung in der Reinigung angestossen.
Die Rückmeldungen auf diesen Beitrag haben deutlich gemacht, dass Unternehmen zwar verstehen, welche Vorteile digitale Lösungen für Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Compliance bieten, jedoch häufig unsicher sind, wie sie die Digitalisierung konkret umsetzen sollen. Fragen zu geeigneten Tools, zur tatsächlichen Wirkung im Alltag und zu den damit verbundenen Investitionen stehen oft im Vordergrund. Genau diese Themen behandelt das Interview, das kürzlich in der Fachzeitschrift rationell reinigen veröffentlicht wurde. Darin erläutert Gil Helbling, Leiter Digitalisierung der Enzler Reinigungen AG, wie weit die Digitalisierung in der Branche fortgeschritten ist, welche Hindernisse bestehen und wie Unternehmen Schritt für Schritt zu mehr digitaler Effizienz gelangen können.
Um die laufende Diskussion im Hygieneforum weiterzuführen und praxisnahe Einblicke zu geben, veröffentlichen wir das vollständige Interview nun auch hier. Es zeigt anschaulich, wie digitale Werkzeuge die Qualität der Reinigung erhöhen, Prozesse vereinfachen und Transparenz für Kunden und Mitarbeitende schaffen. Gleichzeitig macht das Gespräch deutlich, weshalb Unternehmen gerade jetzt die Chance nutzen sollten, um die Digitalisierung in der Gebäudereinigung konsequent voranzutreiben.
Wie kamen Sie bei Enzler darauf, andere Unternehmen im Bereich Digitalisierung zu beraten?
Mit unseren Bestandskunden haben wir langjährige Erfahrung, was die Digitalisierung angeht. Wir testen die Tools, die auf dem Markt angeboten werden, und haben für uns selbst ein Portfolio definiert, welche Software wir standardmässig nutzen. Gleichzeitig ist uns bewusst geworden, dass die Branche punkto Digitalisierung noch wenig innovativ ist. Gerade Betriebe mit Eigenreinigung haben da einen Nachholbedarf. Spitäler und Altersheime etwa, denen das Wissen im Bereich digitaler Reinigungsnachweis fehlt. Nun haben wir unser Know-how gebündelt und bieten es unter der Marke DigiLab auch Dritten an.
In welchen Anwendungen ist im Facility Management die Digitalisierung schon weiter verbreitet, wo erst in Ansätzen?
Im technischen Facility Management ist man diesbezüglich schon fortgeschritten: Bei Neubauten wird in den Bereichen Licht, Klima und anderen Anlagen stark digitalisiert. Anders verhält es sich im kaufmännisch-infrastrukturellen Bereich. Beim Bau oder bei einer Sanierung werden natürlich alle Flächendaten erhoben. Doch mit der Übergabe der Räumlichkeiten an die Nutzer wird der Informationsfluss häufig unterbrochen, statt die Daten und den Gebäudeplan den neuen Besitzern oder Nutzern weiterzureichen. Häufig müssen wir deshalb bei unseren Kunden diese Basisdaten erst neu erheben, was entsprechend aufwendig ist.
Ein solches Mapping kostet viel. Was sind andere Hinderungsgründe für eine stärkere Digitalisierung?
Der Kostendruck: Reinigung ist ja nicht das Kerngeschäft unserer Kundschaft. Entsprechend versucht man, bei diesem Ausgabenposten mit möglichst wenig Mitteln auszukommen. Ein weiterer Grund, sich zurückzuhalten, ist bei kleineren Unternehmen die Zusammensetzung des Reinigungspersonals. Häufig sind es Teilzeiter in kleinen Pensen. Diese Mitarbeiter neu auf ein Tool zu schulen, zu lizenzieren und mit zusätzlichen Geräten auszurüsten, kann schnell teuer werden. Ein weiterer Bremser ist, wenn die Reinigungsleistung ausgeschrieben wird: Für einen Auftrag, der womöglich nach drei Jahren wieder wegfällt, lohnt sich der grosse Aufwand für eine Umstellung von Papier auf digital womöglich nicht.
Was sind auf der anderen Seite die wichtigsten Treiber?
Es gibt zwei zentrale Gründe, warum ein Unternehmen im Bereich Reinigung in die Digitalisierung investiert: Die einen wollen Aussenwirkung erzielen und zeigen, dass sie mit moderner Technologie wie Robotik und mit der Digitalisierung zeitgemäss aufgestellt sind. Den anderen ist die Transparenz sehr wichtig. Und mehr Transparenz bringt häufig auch mehr Effizienz. Corona hat vielerorts die bisherige standardisierte Reinigung komplett neu definiert, alles wurde kleinteiliger und damit komplizierter. Ein Nachweis, wo, wie und wann gereinigt wurde, war fast nur noch digital machbar – erst recht die anschliessende Verrechnung.

Gil Helbling
Gil Helbling steht an der Schnittstelle zwischen Technologie und operativer Umsetzung. Als Leiter Digitalisierung bei Enzler treibt er die digitale Weiterentwicklung des Unternehmens voran. Dabei verbindet er betriebswirtschaftliches Denken mit einem tiefen Verständnis für effiziente Abläufe.
Expertennetzwerk: hygieneforum.ch/hygiene-experten/
Digitale Tools haben eine kurze Halbwertszeit. Besteht nicht die Gefahr, dass das Personal sich laufend auf neue Tools einstellen muss und die Schulung viel Zeit in Anspruch nimmt?
Das ist tatsächlich ein Dilemma. Wir mussten selbst schon erleben, dass ein Tool, das wir gerne einsetzten, plötzlich nicht mehr weiterentwickelt wurde. Entsprechend mussten wir diese Anwendungen neu programmieren, die Teams neu schulen. So oder so ist die Einführung eines digitalen Reinigungsausweises mit einem gewissen Aufwand verbunden. Gleichzeitig bringt der Ausweis eine konstantere Qualität, einen schnellen Nachweis über die erfolgten Leistungen – und die Reklamationen gehen stark zurück. Das alles spart wieder Zeit.
Wie soll man als Unternehmen bei der Auswahl eines Tools vorgehen? Haben Schweizer Anwendungen Vorteile gegenüber Produkten aus dem Ausland?
Nicht jedes Tool eignet sich für jede Reinigungssituation. Die Schweiz als Herkunftsland von IT hat vor allem einen Vorteil: die Datensicherheit. Lagern die Grundrisspläne auf Servern in der Schweiz, kann das für gewisse Kunden wichtig sein.
Was bietet Enzler mit dem DigiLab an?
Wir verstehen uns als Dienstleister, der einen Einblick gibt, wie die Digitalisierung in der Reinigung eingesetzt werden kann. Die Stärke des DigiLabs ist es, dass wir verschiedene Tools anbieterunabhängig demonstrieren. Auf Wunsch können auch unsere Kunden besucht werden, bei denen diese genutzt werden, und es sind Gespräche mit den Anwendern möglich. Anschliessend geben wir Ratschläge, welches Tool für welche Anwendung am besten passt. Auf Wunsch können wir auch die Schulung und Implementierung übernehmen. Doch die Software einkaufen muss der Kunde dann selbst, wir selbst programmieren auch kein eigenes Programm. Dieses Angebot geht deutlich über das hinaus, was der Verkäufer eines einzelnen IT-Tools anbietet.
Sind auch schon Mitbewerber auf Sie zugekommen?
Immer mal wieder. Dann arbeiten wir auf informeller Basis zusammen und tauschen uns aus, wer mit welchem Tool welche Erfahrungen gemacht hat. Natürlich ist der Reinigungsmarkt hart umkämpft. Aber wenn man sich mit Berufskollegen austauscht, profitieren beide davon.
Interview erschienen in: rationell reinigen (November 2025; Holzmann Medien GmbH & Co.KG)