26.04.23

Was sind Biozide?

Biozide sind im nicht-agrarischen Bereich eingesetzte Chemikalien oder auch Mikroorganismen zur Bekämpfung von Schädlingen wie Bakterien, Hefen, Pilze, Viren aber auch Ratten, Insekten sowie weitere Organismen. Sie werden häufig auch im Alltag verwendet, ohne dass dies den Nutzern bewusst ist. Zu den biozidhaltigen Produkten gehören Insektensprays oder antibakterielle Putz- und Desinfektionsmittel. 

Biozid

Zusammenfassung

Biozide sind chemische oder auch biologische Substanzen und Produkte, die dazu eingesetzt werden, schädliche Organismen zu zerstören, abzuschrecken oder auch unschädlich zu machen. Dazu gehören zum Beispiel Desinfektionsmittel, Chlor im Schwimmbadwasser, aber auch Materialschutzsubstanzen für Holz und Polymere, Rattengift und Mückensprays.

In der Europäischen Union (EU) wie auch der Schweiz ist die Marktzulassung von Bioziden durch die europäische Biozid Verordnung geregelt.

Nach europäischer Auffassung werden Biozide von den Pflanzenschutzmitteln (Pestizide) und Arzneimitteln abgegrenzt betrachtet, obwohl diese zum Teil die gleichen Zielorganismen bekämpfen wie Biozide, aber eine andere, vor allem historisch und regulatorische gewachsene und eher keim-spezifische Anwendungen darstellen.

Frei nach Paracelsus lässt sich der Begriff Biozid ungefähr folgendermassen vereinfachen: «Alle Dinger sind Gift und nichts ist ohne Gift, allein die Dosis, Expositionszeit und der biozide Anspruch macht, dass ein Ding ein Gift… oder ein Biozid ist.»

Mit der wachsenden Weltbevölkerung, einer zunehmenden Verstädterung, einer generellen Alterung der Weltbevölkerung sowie einer massiv erhöhten globalen Mobilität nehmen Infektionsrisiken im öffentlichen Bereich markant zu und damit verbunden auch das Bedürfnis nach verbesserten Hygieneleistungen.

Biozide bzw. Desinfektionsmittel nehmen in unserem Leben eine immer wichtigere Rolle ein, welches sich im globalen Markt für Biozide zeigt: Der Markt für Biozide wurde 2019 auf 12,7 Milliarden US-Dollar geschätzt und wird bis 2027 voraussichtlich 20,7 Milliarden US-Dollar erreichen, was einer CAGR von 6,8% von 2020 bis 2027 entspricht.

Was ist ein Biozid?

Biozide, meist als Biozid Formulierungen oder -produkte, wirken als einzelne Substanzen oder Gemische auf Schadorganismen, welche diese zerstören, abschrecken, anziehen oder/und unschädlich machen.

Sie unterliegen der Biozid Verordnung, Verordnung (EU) Nr. 528/2012, und sind gemäss Artikel 3 Absatz 1 definiert als: “Jeglicher Stoff oder jegliches Gemisch in der Form, in der er/es zum Verwender gelangt, und der/das aus einem oder mehreren Wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen.“

Entscheidend für biozide Substanzen ist, dass diese als Aktivstoff und Formulierung registriert sind und für bestimmte Ansprüche gegen spezifische Arten von Schadorganismen und zum Schutz in definierten Anwendungen anerkannt sind.

Unterschied Biozid zu Antibiotika

Der Hauptunterschied zwischen Antibiotika und Bioziden/Desinfektionsmitteln ist ihr Wirkmechanismus, der Anwendungsort und damit verbunden das Wirkspektrum.

Generell zeigt ein Antibiotikum ein viel spezifischeres Wirkspektrum gegen einzelne Bakterienarten oder Gruppen während Biozide in genügend hoher Konzentration eine breite Wirkung gegen ganze Gruppen von Schadorganismen zeigen. Bei Antibiotika ist der Wirkmechanismus oft ein zielspezifisches Protein oder eine Funktion, während Biozide meist zelluläre Kompartimente (z.B. Membranen), generelle Zellbestandteile (z.B. generelle Oxidation von chemischen Gruppen) oder aktive Wirkfunktionen (funktionale Gruppen in Enzymen/Proteinen oder Nukleinsäuren) angreifen.

Ferner wirken Antibiotika meist im oder auf dem Körper und werden verwendet, um das Wachstum und die Entwicklung von eher spezifischen Bakterienarten abzutöten oder zu hemmen. «Bakterielle» Biozide oder Desinfektionsmittel wirken derweil ausserhalb des Körpers oder werden auf oder in nicht lebendige Substrate aufgebracht oder eingearbeitet, wobei diese bedeutend breiter Bakterien und andere Schadmikroorganismen abtöten bzw. zerstören oder hemmen.

Welche Biozid Klassen oder Biozid Typen gibt es?

Bei einer Diskussion über Bioziden sollte zwischen dem bioziden Wirkstoff (zurzeit ca. 924 Aktivsubstanzen in allen Produkttypen, 10.02.2023) und dem Biozid Produkt unterschieden werden. Bei den bioziden Wirkstoffen handelt es sich meist um chemische Verbindungen. Es kann sich aber auch um Mikroorganismen (z.B. Bakterien) handeln.

Biozid Produkte enthalten einen oder mehrere biozide Wirkstoffe und können andere nicht aktive Beistoffe enthalten, die die Wirksamkeit sowie den gewünschten pH-Wert, die Viskosität, die Farbe, den Geruch usw. des Endprodukts gewährleisten. Biozid Produkte sind auf dem Markt für gewerbliche und/oder nicht-gewerbliche Verbraucher erhältlich.

Grundsätzlich werden im europäischen Raum Biozide in vier Hauptgruppen (Desinfektionsmittel, Konservierungsmittel, Schädlingsbekämpfung und weitere Biozid Produkte), sowie in einige Untergruppen entsprechend ihrer Produktart, ihrem Anwendungsbereich oder ihrem spezifischen Wirkspektrum, klassifiziert:

HAUPTGRUPPE 1:   Desinfektionsmittel und allgemeine Biozid Produkte

Produktart 1:              Biozid Produkte für die menschliche Hygiene (z.B. Handhygiene)

Produktart 2:              Desinfektionsmittel und andere Biozid Produkte im privaten Bereich und im Bereich der öffentlichen Gesundheit

Produktart 3:              Biozid Produkte für die Veterinärhygiene

Produktart 4:              Desinfektionsmittel für Lebens- und Futtermittelbereiche

Produktart 5:              Trinkwasserdesinfektionsmittel

HAUPTGRUPPE 2:   Konservierungsstoffe

Produktart 6:              Topfkonservierungsmittel

Produktart 7:              Filmkonservierung

Produktart 8:              Holzschutzmittel

Produktart 9:              Konservierungsmittel für Fasern, Leder, Gummi und polymerisierte Materialien

Produktart 10:            Baustoffschutzmittel

Produktart 11:            Konservierungsmittel für Flüssigkeitskühl- und -aufbereitungssysteme

Produktart 12:            Schleimschutzmittel

Produktart 13:            Konservierungsmittel für Metallbearbeitungsflüssigkeiten

HAUPTGRUPPE 3:   Schädlingsbekämpfung

Produktart 14:            Rodentizide

Produktart 15:            Avizide

Produktart 16:            Molluskizide

Produktart 17:            Pescizide

Produktart 18:            Insektizide, Akarizide und Produkte zur Bekämpfung anderer Arthropoden

Produktart 19:            Repellentien und Lockstoffe

Produktart 20:            Bekämpfung anderer Wirbeltiere

HAUPTGRUPPE 4:   Sonstige Biozid Produkte

Produktart 21:            Antifouling-Produkte

Produktart 22:            Einbalsamierungs- und Präparatorflüssigkeiten

Was kann ein Biozid?

Biozide («Lebe»- «tötend») sind im nicht-agrarischen Bereich eingesetzte Chemikalien oder auch Mikroorganismen zur Bekämpfung von Schädlingen wie Bakterien, Hefen, Pilze, Viren aber auch Ratten, Insekten sowie weitere Organismen.

Praktische Beispiele sind Desinfektionsmittel, Konservierungsmittel, Materialschutzmittel und Schädlingsbekämpfungsmittel. Weitere Beispiele sind mit Insektiziden behandelte Kleidung und Armbänder oder auch Socken, die mit antibakteriellen Substanzen imprägniert sind und vor Geruch schützen sollen. Es gibt aber zahllose weitere Anwendungen mit bioziden Substanzen und Ansprüchen.

Teilweise werden die Wirkstoffe in Bioziden auch als Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln verwendet, da ihre Wirkspektren überlappend sind.

Einige Charakteristika von Bioziden zeigen Wirkungen gegen einzelne oder kombinierte Gruppen und Formen von Mikroorganismen, aber auch höhere Lebewesen. Eine Wirkung kann abtötend oder wachstumshemmend sein. Sie kann auch nur eine abschreckende oder anziehende Funktionsweise besitzen.

Wirkung gegen einfache Mikroorganismen:

  • Bakterien, gram-positive und gram-negativ (Bakteriozide)
  • Mykobakterien (Myko- oder Bakteriozide)
  • Hefen (Levurizide) und Pilze (Fungizide)
  • Viren, behüllte und nicht-behüllte (Viruzide)
  • Bakteriophagen (bakterielle Viruzide)
  • Sporen, Bakterien- und Pilzsporen (Sporizide/Fungizide)
  • Algen (Algizide)

Biozide können aber auch abtötenden oder abschreckende Effekte gegenüber höheren eukaryotischen Lebewesen aufzeigen:

  • Insekten (Insektizide)
  • Nagetieren (Rodentizide)
  • Vögel (Avizide)
  • Weichtiere (Mollusken), insbesondere Schnecken (Molluskizide)
  • Fische (Pescizide)
  • Milben und Zecken (Akarizide, Repellentien und Lockstoffe)
  • Gliederfüssler wie Tausendfüssler, Krebstiere, Spinnentiere, Skorpione und auch
  • Milben (gegen Arthropoden)
  • sowie weitere Wirbeltiere

Umgang mit Bioziden – Gefahren und Umweltrisiken

Biozide sind dazu bestimmt lebende Organismen abzutöten und viele Biozid Produkte stellen damit auch ein erhebliches Risiko für die menschliche Gesundheit und das Wohlergehen von Nicht-Schadorganismen dar. Beim Umgang mit Bioziden ist grosse Vorsicht geboten und es sollte entsprechende Schutzkleidung und -ausrüstung verwendet werden. Der Einsatz von Bioziden kann auch erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die erweiterte natürliche Umwelt haben.

Antifouling-Farben, insbesondere solche, die organische Zinnverbindungen wie TBT und quaternäre Ammoniumverbindungen verwenden, haben zum Teil nachweislich schwerwiegende und langanhaltende Auswirkungen auf spezifische Wasserorganismen und ganze marine Ökosysteme.

Die Entsorgung gebrauchter oder unerwünschter Biozide muss sorgfältig erfolgen, um schwerwiegende und möglicherweise langanhaltende Schäden für Mensch und Umwelt zu vermeiden. Biozid Anwendungen sollten, wenn möglich, durch geschulte und entsprechend geschützte Spezialisten durchgeführt werden.

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